Tofino Fish Pier

Transformation eines kolonialen Wahrzeichens
Der Tofino Fish Pier wurde 1962 am Rande des malerischen Hafens von Tofinos Innenstadt erbaut und diente ursprünglich als Garnelen- und Lachsbearbeitungsanlage. In den folgenden Jahren wurde die Anlage mehrfach erweitert, unter anderem durch den Bau einer großen Eisfabrik, die Hochseefischereischiffe entlang der Westküste von Vancouver Island mit Eis versorgte. Heute ist der Pier eines der letzten noch bestehenden, speziell errichteten Holz-Eisfabrikgebäude an der Westküste – ein Relikt des einst prägenden maritimen Industrieerbes von British Columbia.

Geschichtliche Aufarbeitung
Unter der Leitidee des Nuu-chah-nulth-Wortes kwislap, das „Dinge anders machen“ bedeutet, initiierte Wolfgang Rieder in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Leckie Studio die Revitalisierung des Piers. Ziel war es, das architektonische Erbe dieser Anlegestelle zu erhalten, die reiche Geschichte der Region zu würdigen und gleichzeitig einen sichereren und inklusiveren Raum für die Nuu-chah-nulth-First Nations zu schaffen.
Im Kern geht es bei der Transformation des Tofino Fish Piers um die Dekolonisierung und adaptive Wiederaneignung eines historischen Wahrzeichens, das ursprünglich die traditionellen Lebensweisen der Nuu-chah-nulth verdrängte. Nun wird der Pier zu einem Instrument der Versöhnung und Gemeinschaftsstärkung, das unterrepräsentierten Gruppen Raum bietet und Kanadas kulturelle Vielfalt sichtbar macht. 2009 erhielten die fünf Nuu-chah-nulth-Nationen – Ahousaht, Ehattesaht/Chinehkint, Hesquiaht, Tla-o-qui-aht und Mowachaht/Muchalaht – das Recht, alle traditionell in ihren Gebieten gefangenen Arten zu fangen und zu verkaufen. Das Projekt soll nun als physischer Knotenpunkt dienen, um das wirtschaftliche, soziale und politische Potenzial dieser Rechte vollständig auszuschöpfen.

Moderne Technologien für die Neugestaltung
Nach einer umfassenden Untersuchung der strukturellen Mängel wurden mithilfe modernster 3D-Scanverfahren, digitaler Modellierung und eines integrierten Designansatzes gezielte Sanierungspläne entwickelt. Diese ermöglichen umfangreiche Reparaturen, die die strukturelle Integrität des Piers wiederherstellen und seine historische Identität bewahren.
Die Neunutzung des Piers folgt einem klaren kulturellen und gemeinschaftlichen Konzept. Die historische Eisfabrik wird zu einem Veranstaltungs- und Ausstellungsraum für Künstler der First Nations umgestaltet, während der ehemalige Maschinenraum in ein Atelier umfunktioniert wird. Das alte Wohngebäude für die Arbeiter der Konservenfabrik wird zu einem Fischereibüro für T’aaq-wiihak-Organisationen umgenutzt. Der historische Konservenraum bietet künftig einen vielseitigen Gemeinschaftsraum für indigene Meeresbildungsprogramme, öffentliche Veranstaltungen zur Meeresbewirtschaftung und ein saisonales Pop-up-Meerescafé. Zusätzlich wird ein maritimes Forschungs- und Bildungs-Labor eingerichtet, das Wissen der First Nations und traditionelle wissenschaftliche Methoden in den Mittelpunkt stellt. Die umfassende Neugestaltung wird durch einen saisonalen Markt der First Nations ergänzt. Zudem entstehen eine erweiterte Marina für indigene Meerestourismusangebote wie Kajaktouren, Wassertaxis oder Walbeobachtungen sowie ein Gezeitenpark, der Besuchern den Zugang zum Meeresboden und den Gezeitenwechsel ermöglicht.


Prämiertes Konzept zur Förderung der First Nations
Für seine behutsame, kulturell und architektonisch sensible Umsetzung wurde das Projekt 2024 mit dem Canadian Architect Award of Merit ausgezeichnet. Juror Matthew Hickey kommentierte: „Interventionen, die die Bedeutung des Ortes berücksichtigen, sind der Schlüssel zur Gestaltung geeigneter Strukturen. Der Tofino Fish Pier ist genau das – eine Intervention, die die Bedeutung der bestehenden Architektur durch minimale zeitgenössische Eingriffe würdigt, die sich optisch in die Bautensammlung integrieren. Das Werk respektiert die Vergangenheit und berücksichtigt gleichzeitig zeitgenössische Ansätze zur Aufwertung der bestehenden Gebäude.“
So verbindet der Tofino Fish Pier Vergangenheit und Zukunft. Er bleibt ein Stück maritimer Industriegeschichte, das neu gedacht wurde, um die kulturelle Identität der First Nations sichtbar zu machen und die Gemeinschaft von Tofino nachhaltig zu stärken.